ich bin schockiert.

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
luki
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Registriert: 21.08.2012, 16:55:18

ich bin schockiert.

Beitrag von luki »

hallo und achtung länger (aber der frust muss raus)

kurze eckdaten: lehramt realschule studiert, chemie und biologie lehrerin, gerade fertig mit dem ref, habe leider keine planstelle bekommen und bin seit diesem schuljahr angestellt an einer ehemaligen hauptschule, jetzt rs plus mit einem vollen vertrag bis zu den sommerferien :(

jetzt zum eigentlichen thema.
ich merke, dass ich mich in dieser ehemaligen hauptschule nicht wohl fühle. das schülerklientel ist extrem problematisch und es fehlen die grundsätzlichen umgangsformen. ich bin nicht gerade die autorität in person. bin relativ klein (viele schüler sind einen kopf größer als ich) und habe eine helle stimme. das macht es umso schwerer. an respekt mangelt es diesen schüler sowieso, auch gegenüber anderen lehrkräften.
habe direkt eine klassenleitung in einer sehr schwierigen 8ten klasse mit förderkindern bekommen. dazu sind es 30 schüler. zusätzlich muss ich fachfremd mathematik, geschichte und bildende kunst unterrichten sowie eine deutsch-ag leiten. (ich bin nicht sooo gut in mathe- hab ich auch gesagt- es hieß: ach das klappt schon, wir machen das parallel--von wegen, hab bis heute kein material bekommen) alleine die planungen und das einlesen und mir selbst nocheinmal beibringen lassen mich fast schon resignieren. bücher hat die schule keine und ich muss mir diese selbst kaufen.
ich fühle mich nicht in der lage mathematik fachgerecht an schüler zu vermitteln. ich kann kein mathe! jedenfalls nicht so gut, um mathelehrer zu sein. aber weigern kan man sich nicht. man kann heute froh sein überhaupt einen arbeitsplatz zu haben:(
die ehemalige klassenlehrerin hat mir auch gesagt, dass ich sehr engen kontakt zu den eltern von mind 9 schülern halten muss, aber einige eltern seeeehr schwierig sind, was bedeutet: wöchentliche anrufe! teilweise auch tägliche hausaufgabenhefteinträge über das verhalten des schülers. sogar zu außenterminen soll ich fahren, zB caritas...
dann das ganze organisatorische drum herum: klassenbuchführung, elternabend, wandertag, außerschulische abendveranstaltungen,

komme in den pausen (haha welche pausen), nicht mal dazu zu essen, das zehrt an meinen nerven. entweder quatschen mich lehrer an: kannst du eben mal dies tun oder das, daran musst du noch denken. ah und die eltern musst du noch anrufen. oder ich habe aufsicht: dreimal die woche, oder schüler wollen etwas und klopfen ständig.
auch während des unterrichts kolpft es ständig- einzelne schüler werden per durchsage ins sekretariat beordert oder von der schulsozialarbeit ausgeliehen, um dinge herumzutragen..die schulbuchausleihe hat noch nicht alle bücher geliefert oder die schüler können sich die bücher nicht kaufen,weil die eltern kein geld haben und das mit der ausleihe verpennt haben usw...

das sind doch keine zustände= oder ist das normal ???? so habe ich das noch nie erlebt.

auch das kollegium ist eher für sich. jeder macht sein ding. keiner schaut auf den anderen.
auch finde ich es furchtbar, dass es immer noch keinen endgültigen stundenplan gibt. man muss ständig zittern, dass sich noch etwas ändert und man nun doch noch mehr als die zwei tage bis nachmittags unterricht hat. (ich habe zweimal in der woche bis 16 uhr)
die schule ist auch sehr dürftig ausgestattet. es gibt keine tollen medien, keine nennenswerten fachsammlungen, keine beamer, kaum overheadprojektoren: sprich: NICHTS als eine tafel und kreide.


mir wächst das gerade alles über den kopf.

dazu werde ich auch noch mies bezahlt, was mich zusätzlich demotiviert.
ich weiß, dass meine zukunft auf keinen fall an einer schule sein kann, in der diese art schüler sind. ich krieg die krise.ich habe nur demotivierte, faule, freche kinder da sitzen.

weiterer punkt: ich lasse mich nicht gerne anpöbeln.. aber die klassenlehrerin hat gesagt, dass eines der i- kinder seine emotionen nicht im griff hat und ich darauf rücksicht nehmen muss ( es schreit dann rum und beleidigt und droht, knallt bücher auf den tisch usw..) ich würde hier ja konsequent eingreifen (tadel oder rausschicken da vor allem die anderen schüler sonst denken, dieses verhalten ist ok), aber scheinbar ist das ein spezieller fall. (ich hab davon keine ahnung, bin ja keine förderlehrerin)
dennoch muss ich für die i-kinder jede stunde differenziertes material dabei haben. ich habe zwar in einigen stunden eine förderkraft mit dabei, allerdings ist sie mir bis jetzt keine große hilfe. ich habe große probleme mit dieser extremst heterogenen klasse. nicht nur leistungsbezogen, auch das sozialverhalten divergiert enorm. heterogenität auf allen ebenen ist echt das schlimmste.

meine ausbildungsschule war reine realschule und es gab keine i-kinder. alle hatten ein angemessenes sozialverhalten. ich konnte nicht "üben" wie man sich bei solch "krassem" schülerklientel verhält.
in meinem referendariat bin ich deshalb super zurecht gekommen. viele schreiben ja, es war eine höllenzeit. für mich war es das nicht. ich hatte spaß am arbeiten und spaß zu lehren. die schüler haben mich akzeptiert und hatten sogar oft richtig spaß am lernen. (es war eine reine realschule an der ich war). keine der stunden, die ich dort gehalten habe, könnte ich mit den schülern meiner jetzigen schule in der form halten.

ich bin so erschüttert, wie groß die unterschiede an verschiedenen schulen doch sind. aber eins weiß ich : ich möchte nicht an dieser schule bleiben.als ich mich nach verschiedenen praktika für das realschullehramt entschieden habe, gab es die reform der zusammenlegung von haupt und realschule noch nicht. ich wusste immer: ich will niemals an eine hauptschule.
nun bin ich genau da.
das problem: was, wenn ich an dieser schule eine planstelle bekomme? so etwas lehnt man nicht ab. was soll ich nur machen? mir graut es vor dem berg an aufgaben und ich fühle mich dem, als berufsanfänger an dieser schule nicht gewachsen.

ich danke euch für das lesen und für jeden beitrag.
Zuletzt geändert von luki am 25.08.2012, 9:44:02, insgesamt 1-mal geändert.

Hubselzwerg
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Re: ich bin schockiert.

Beitrag von Hubselzwerg »

Hast du nicht mit Chemie quasi freie Schulwahl?

Klar kann man eine Planstelle ablehnen.
Und nein, ich finde die beschriebenen Zustände nicht normal.
Dieser Beitrag wurde 666 mal editiert, zum letzten Mal von Gott: Morgen, 23:06

luki
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Re: ich bin schockiert.

Beitrag von luki »

Hubselzwerg hat geschrieben:Hast du nicht mit Chemie quasi freie Schulwahl?
.
leider ist dies nicht mehr überall so und bin zudem leider aufgrund privater umstände (die ich hier eher ungerne ausbreiten möchte)regional gebunden.

GHR-NRW

Re: ich bin schockiert.

Beitrag von GHR-NRW »

In welchem Bundesland bist Du denn und ist es eine Großstadt? Hört sich ja echt furchtbar an :( für mich wäre eine Hauptschule auch ein K.O.-Kriterium...

chrisy
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Re: ich bin schockiert.

Beitrag von chrisy »

@GHR-NRW:

Wenn man sich den Luxus leisten kann, eine weniger wünschenswerte Stelle abzulehnen.

zum Thema: Vieles tönt nach dem ganz normalen Wahnsinn. Es kommt drauf an, wie man selbst mit Widrigkeiten umgehen kann und was man sich alles zu Herzen nimmt. Um Differenzierung kommst du heute nirgends mehr herum. Am organisatorisch einfachsten gelingt die fachliche Differenzierung wie ich persönlich finde durch Vorgabe mittels Wochenplan. Du musst auch nicht jedes Material selbst erfinden, bestehende Aufgabenkonstellationen mit unterschiedlicher Niveauanforderung kannst du recht gut einbinden.

Schulorganisatorische Missstände würde ich auf einer GLK ansprechen. Du kannst sicherlich ein Topic für eine GLK bei der SL anmelden. Kommt aber auch sehr auf das Kollegium an (wie sehen die dies eigentlich?').
als ich mich nach verschiedenen praktika für das realschullehramt entschieden habe, gab es die reform der zusammenlegung von haupt und realschule noch nicht. ich wusste immer: ich will niemals an eine hauptschule.
Und? Garantien für ein immer gleiches System gibt es nicht. Im Leben gehört es nun mal dazu, sich auf Änderungen umzustellen. Auch an der RS hast du keine generelle Garantie auf eine "Liebe-Kinder-Schule". :wink:
"Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen."

Querulantino
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Re: ich bin schockiert.

Beitrag von Querulantino »

luki hat geschrieben:hallo und achtung länger (aber der frust muss raus)

kurze eckdaten: lehramt realschule studiert, chemie und biologie lehrerin, 30 jahre alt, gerade fertig mit dem ref, habe leider keine planstelle bekommen und bin seit diesem schuljahr angestellt an einer ehemaligen hauptschule, jetzt rs plus mit einem vollen vertrag bis zu den sommerferien :(
Du bist erst 30 damit hast du noch alle Chancen. Hast du schonmal überlegt, ob du nochmal etwas anderes machen möchtest? Hast du andere Talente? Was du nämlich beschreibst, hört sich für mich nach normalem Schulalltag an. Verfalle nicht der Illusion, dass es besser wird.

krabappel
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Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: ich bin schockiert.

Beitrag von krabappel »

Hallo luki,


was würdest du denn gerne lesen? Du schreibst, dass du es dort auf keinen Fall aushältst, was ist genau die Frage? ob du eine eventuelle Planstelle annehmen solltest? Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten, um nicht früher oder später zusammenzubrechen. Die erste: du versuchst eine andere Stelle zu bekommen mit der Hoffnung, dass es an anderen Schulen anders zugeht. Oder sattelst auf Gymnasiallehramt um.

Die zweite: du liest aufmerksam, was chrisy geschrieben hat und versuchst, das zu ändern, was zu ändern geht und hinzunehmen, was sich nicht ändern lässt. Sprich: sich erkundigen, wie man mit schwierigen Schülern fertig wird, damit abfinden, dass man im Lehrerberuf Elternkontakt halten und Pausenaufsichten führen muss und Unterricht auch ohne interaktives Whiteboard möglich ist. Vieles was du genannt hast ist anstrengend aber ganz normal und deine Aufgabe, zu lernen, wie du mit dem Stress klarkommst. Wenn es dich beruhigt: ich kenne eine Kollegin, die sogar an verschiedenen Schulen Fachlehrerin ist, sie fährt also noch von Schule zu Schule, um sich in x verschiedenen Klassen anpöbeln zu lassen- und das ohne Beamtensold. Ja es gibt Bundesländer, die ihre Lehrer noch schlechter behandeln.

Das Hauptproblem ist vielleicht, dass dein Kollegium komisch ist. Wenn ihr da überhaupt nicht zusammenarbeitet, wäre mir das die Planstelle nicht wert. Auch hier: was hältst du von dem o.g. Vorschlag, mal in der Konferenz über konkrete Probleme zu sprechen? Wenn das nicht funktioniert, was nützt dir die tolle Bezahlung, wenn du dir davon bloß die bessere Burnoutklinik leisten kannst.

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