"Lehrer brauchen Führung"

Fragen & Antworten zu didaktischen Problemen, methodische Kniffe für den nächsten Unterrichtsbesuch usw.
Murmel
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"Lehrer brauchen Führung"

Beitrag von Murmel »

Bernhard Bueb hat ein Interview im Spiegel gegeben, vielleicht kennt ja einer sein Buch "Von der Pflicht zu führen"

Ist auf jeden Fall genügend Diskussionsstoff vorhanden..
Der Bildungskritiker Bernhard Bueb über das Versagen der deutschen Pädagogen, das fragile Selbstwertgefühl von Kindern und seine eigenen Fehler als Berufsanfänger
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,576778,00.html

Rittersport
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Beitrag von Rittersport »

Ich fand das Interview sehr lesenswert. Hr. Bueb neigt zum Polarisieren - was an sich nicht schlecht ist. Viele hier werden es schon oft erlebt haben. Wenn sich klare Worte und Provokation paaren, entstehen oft fruchtbare Diskussionen.
Das oberste Gebot lautet, die anvertrauten Menschen in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken. Zum Zweiten muss man mit ihnen Ziele vereinbaren und die Umsetzung dieser Ziele anschließend kontrollieren. Daraus erwächst dann Lob oder Kritik - wobei Kritik zunächst immer mit einem Angebot zu Hilfe verbunden sein muss.
Leider sind aber Schulleiter nicht selten Menschen, die froh sind, endlich dem Unterricht entfliehen zu können. An meiner Schule gibt es z.B. Zielvereinbarungen und bei Erfüllung entsprechende Prämien. Die gibt es zusätzlich zur persönlichen Anerkennung.
Dafür braucht es an einer Schule einen starken Leiter, der nicht nur verwaltet, wie es 80 Prozent der deutschen Schulleiter tun. Er muss vielmehr seine Mannschaft zusammensuchen.
Das geht gerade beim Staat noch viel zu selten. Wenn Menschen zentral zugeteilt werden, kann zwar eine gleichmäßige Versorgung sichergestellt werden, aber die Qualität leidet darunter, wenn Menschen einfach zusammengewürfelt werden. Der Sinn von Vorstellungsgesprächen ist doch z.B. immer auch, dass überprüft wird, ob der Bewerber in das Team passt.
Ich habe so lange gequengelt, bis ein unfähiger Lehrer versetzt wurde. Er treibt nun in einer anderen Stadt sein Unwesen.
Das ist aber auch so, weil es spezielle Lehramtsstudiengänge gibt. Natürlich gibt es immer Nischen, die müssen aber auch erstmal gefunden und als Alternative empfunden werden.
Wenn einer mit Ende 30 endgültig einsieht, dass er als Lehrer nicht geeignet ist, dann ist das viel zu spät und zudem: Oft genug läuft die Finanzierung fürs Haus, die Familienplanung ist nicht abgeschlossen ... der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, sich neu zu orientieren.
Lesen gefährdet die Dummheit

Pia
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Beitrag von Pia »

Ich spreche jetzt mal hauptsächlich den Grundschulbereich an:
So lange es dermaßen schlechte Bedingungen für Schulleiter gibt (Bezahlung, ausufernde Aufgabenbereiche, Kampf um jede Sekretariatsstunde...), werden sich wenige Führungspersönlichkeiten für diesen Job finden lassen. So sieht es zurzeit in den Schulen auch aus. Oft sind es wirklich "Unterrichtsflüchtlinge", oder, noch schlimmer, unfähige, desorientierte Menschen mit Profilneurose, die eine Schulleitung übernehmen. In Nordrhein-Westfalen findet man keinen vernünftigen Grund, sich auf eine Grundschulleitung zu bewerben. Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht.

L.G. Pia

Scooby

Beitrag von Scooby »

Pia hat geschrieben:In Nordrhein-Westfalen findet man keinen vernünftigen Grund, sich auf eine Grundschulleitung zu bewerben.
Wie wäre es mit der Motivation, diese Führungsrolle, wie sie im Interview beschrieben wird, ausfüllen zu wollen?

Dass Arbeitsbedingungen, Verantwortung und Bezahlung in einem absoluten Missverhältnis stehen, ist klar.

Pia
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Beitrag von Pia »

Scooby hat geschrieben:Wie wäre es mit der Motivation, diese Führungsrolle, wie sie im Interview beschrieben wird, ausfüllen zu wollen?
Klar, aber genau das ist unter den derzeitigen Bedingungen ja unvernünftig. Es verzweifeln ja auch viele der Idealisten, die es noch wollen, weil der Anspruch viel zu oft an der Realität scheitert.

Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

Dafür braucht es an einer Schule einen starken Leiter, der nicht nur verwaltet, wie es 80 Prozent der deutschen Schulleiter tun.
gerade hier liegt die Krux an dem ganzen Artikel: woher soll der Schulleiter die Zeit nehmen, zu führen, wenn er mit seiner Zeit gerade mal die Verwaltungsarbeit hinkriegt? wie soll er da noch Evaluationsbögen durchschauen, ständig seinen Lehrern über die Schulter schauen, sie motivieren und entsprechend ihren Stärken und Schwächen auf den richtigen Weg führen?

ich finde Herrn Buebs Vorschläge nicht abwegig, aber sie können nur funktionieren, wenn der Schulleiter entlastet wird. bei unserer üblichen 3-Mann-Schulleitung an bayerischen Gymnasien müsste man einen vierten Mann einsetzen, der gewisse Aufgaben des Schulleiters übernimmt.

nur so bekommt er genügend Zeit, sich explizit mit Führungsaufgaben zu beschäftigen. das würde allerdings ein Geld kosten, das nicht da ist.
Bayern, Gymnasium, Latein/Geschichte.
LAss seit Februar 2008 -- Planstelle an einem überaus elitären :mrgreen: städtischen Gymnasium
[i]... causas viresque perquirere rerum ...[/i]

Scooby

Beitrag von Scooby »

Ulysses hat geschrieben:ich finde Herrn Buebs Vorschläge nicht abwegig, aber sie können nur funktionieren, wenn der Schulleiter entlastet wird.
[Gebetsmühle]

Schulen ab einer gewissen Schülerzahl sollten eine Doppelspitze haben: Einen Manager für Verwaltung, Finanzen, etc. und einen pädagogischen Leiter. Beide sollten mit entsprechendem Personal ausgestattet sein, um ihre Aufgaben effizient erledigen zu können.

[/Gebetsmühle]

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