Sorry, Piccola, ich weiß nicht, zu welchem Zweck du diesen uralten Faden ausbuddelst – es hinterlässt den Eindruck, es ginge im Wesentlichen darum, „teacher_a“ für ihre Aussagen anzugehen –, aber da ich seinerzeit eine ähnliche Haltung vertreten habe und das auch heute noch tue, will ich auch antworten. Du schreibst in Richtung „bernstein321“:
Piccola hat geschrieben:Menschen wie Dich braucht nicht nur die Welt, sondern ganz besonders die Schule!
Nein.
Der User „bernstein321“ hat bereits im Titel des Fadens angegeben, unter Depressionen
und einer Persönlichkeitsstörung zu leiden. Da sollte man also auch
beides betrachten:
(1.) Depression
Depression ist eine Krankheit. Eine behandelbare obendrein. Und ganz genauso, wie jemand mit Gastroenteritis, Appendizitis oder sonstigen Krankheiten nicht in die Schule gehört, sondern sich auskurieren sollte, gilt das absolut und ebenso auch für diagnostiziert Depressive. Gesund werden, wiederkommen, dann gerne über Depressionen reden, damit klar wird, dass es eine Krankheit und kein Stigma ist.
Wenn nämlich jemand unbehandelt Depressives im Lehrerzimmer rumläuft, passiert beispielsweise Folgendes (und ja, das ist leider alles echt, betraf eine sehr liebe Kollegin, die ich privat unglaublich mag):
1a) Die unbehandelt depressive Kollegin konnte ihren Anteil an Aufgaben nicht erledigen: Unterricht war nicht vorbereitet, teils fehlte sie unangekündigt, Klassenarbeiten und Klausuren stapelten sich zuhause und harrten monatelang ihrer Korrektur. Das hat die Kollegin natürlich gemerkt, sie war ja depressiv, nicht dumm. Braucht es ein Depressiver, täglich seine Unfähigkeit vorgeführt zu kriegen?
1b) Die unabwendbaren Arbeiten – Korrekturen, Projekte, Klassenfahrten – mussten regelmäßig in letzter Minute und spontan von anderen Kollegen übernommen werden. Oft genug für wenig oder gar keine Entlastungsstunden, schlicht weil es keine Poolstunden für das Auffangen depressiver Kollegen gibt. Braucht es ein Kollegium, zusätzlich belastet zu werden?
1c) Die Schülerinnen und Schüler haben die Problematik natürlich ebenfalls bemerkt. Spätestens die Neuntklässler haben sich dann auch Sorgen gemacht („Herr Jméno, wir haben schon zum dritten Mal in diesem Halbjahr ‚Ice Age‘ geguckt und haben noch gar keinen Unterricht gemacht.“) und die Abiturienten waren nachvollziehbarerweise in heller Panik. Brauchen es Schüler, nicht unterrichtet und nicht auf Prüfungen vorbereitet zu werden?
Ich persönlich beantworte 1a), 1b) und 1c) mit: Nein. Und deswegen braucht „ganz besonders die Schule“ keine Menschen mit akuter Depression! Übrigens brauchen umgekehrt auch Menschen mit akuter Depression keine Schule, sondern Hilfe. Aber ich wiederhole mich.
(2.) Persönlichkeitsstörung
Der User „bernstein321“ hat eine ganze Reihe von ICD-10-Codes angegeben, die bei ihm diagnostiziert worden sind. Die Codes finden sich alle im Beitrag vom 16.03.2015, 22:34:11 Uhr, ganz unten auf Unterseite 3. Nehmen wir daraus nur einmal den Code F60.7, für die es folgende Kriterien gibt:
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat geschrieben:
[1] Ermunterung oder Erlaubnis an andere, die meisten wichtigen Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen
[2] Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht, und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber deren Wünschen
[3] Mangelnde Bereitschaft zur Äußerung selbst angemessener Ansprüche gegenüber Personen, von denen man abhängt
[4] Unbehagliches Gefühl, wenn die Betroffenen alleine sind, aus übertriebener Angst, nicht für sich alleine sorgen zu können.
[5] Häufiges Beschäftigtsein mit der Furcht, verlassen zu werden und auf sich selbst angewiesen zu sein
[6] Eingeschränkte Fähigkeit, Alltagsentscheidungen zu treffen, ohne zahlreiche Ratschläge und Bestätigungen von anderen.
(Mindestens vier Kriterien müssen vorliegen.)
Siehst du, Piccola, in dieser Liste
irgendetwas, was sich ohne schwerwiegende Probleme mit dem ganz normalen Lehreralltag in Verbindung bringen lässt?
Mehr noch: Medikamente können die Probleme zwar unterdrücken/dämpfen, aber nicht wegtherapieren. Aber auch lange dauernde Therapien mit Psychiatern oder Psychotherapeuten sind kein garantierter Weg aus dieser Lage: „Es ist fraglich, ob Persönlichkeitsstörungen mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Interventionen so behandelt werden können, dass eine vollständige Heilung eintritt.“ (Zitat Wikipedia, Artikel „Persönlichkeitsstörung“).
Dass man Respekt vor „bernstein321“ empfindet und seinem Kampf, ein einigermaßen normales Leben zu führen: Ja. Zweifellos. Aber so zu tun, als sei ein Lehrerzimmer ein inklusiver Ort, wo jeder mal ein wenig Zeit mit den lieben Kindern verbringen könne, ist doch ein arg seltsamer Blick auf unseren Job. Denn so, wie Angela Merkel niemals Papst wird und ich niemals den Iron Man auf Hawaii laufen werde, so sind manche Menschen eben für die Anforderungen des Lehreralltags – sei es temporär, sei es permanent – ungeeignet. Sich selbst und anderen gegenüber das einzugestehen, hat etwas mit Ehrlichkeit zu tun. Und davon brauchen wir tatsächlich mehr in der Welt und in den Schulen!