Qualitätsgarant hat geschrieben:Gibt es hier eigentlich auch normale Kollegen, die weder stundenlang mit den Schülern über Whatsapp über andere Schüler lästern, noch mit der Einstellung "Punkt 12.40 mit dem Gong ist mir alles scheißegal, Ende der Dienstzeit!" rumlaufen?
Ich weiß nicht, ich sehe hier weder das eine noch das andere Extrem. Kein Mensch wird Lehrer, wenn ihm die Bedürfnisse von Jugendlichen egal sind. Trotzdem sind wir Lehrer, wir vermitteln den Stoff des Lehrplans und haben keine Garantenpflicht.
Wenn ich ernsthaft Sorgen um das Kindeswohl habe, dann spreche ich mit den Eltern und ziehe im Zweifel das Jugendamt hinzu. Ich hab viel mit dem Jugendamt zu tun, einfach weil das in den meisten Familien bei uns sowieso drin ist. Das Jugendamt kann keine Wunder bewirken und ist auch nicht der große böse Bruder, sondern seine Aufgabe ist es, zu prüfen, ob Kindeswohlgefährdung vorliegt und was nun zu tun sei (Familienhilfe etc.), weitreichendere Entscheidungen trifft das Familiengericht.
Und diese Entscheidungen möchte ich auch nicht treffen, weil sie das Leben der Kinder wirklich nachhaltig verändern. Dann haben meine Schüler auch einen anderen Hintergrund als ich, das kann man nicht vergleichen. Das Jugendamt sieht nur die Extremfälle und entscheidet sachlicher, als ich das könnte. Ich sehe die Kinder ja auch viel öfter und habe eine bessere Beziehung zu ihnen, als die meisten Jugendamtsmitarbeiter, sowieso als der Vormund oder der Richter. Und dieser schmale Grat zwischen: wie kann ein Kind noch leben, wieviel Dreck, Drogenkonsum/ andere psychische Erkrankung der Eltern, Gewalt und Mangelernährung kann ein Kind verkraften und wo ist die Grenze dessen erreicht, was eben nicht mehr verkraftbar ist, das entscheide nicht ich. Aber wenn ich das Gefühl habe, die Grenze ist erreicht, oder wenn mir ein Kind das signalisiert, dann sorge ich dafür, dass sich etwas ändert und streite mich auch mit den Eltern rum und das macht keinen Spaß.
Ich versuche täglich, die Balance zu finden, zwischen Sorgen machen, kümmern, zu Behörden vermitteln und auch: abends meine Ruhe zu finden. Ein nervliches Bündel hilft ganz sicher keinem Kind weiter. Ich sage ihnen z.B., wo sie den Notdienst finden und wenn sie dorthin möchten, weil sie es zu Hause nicht mehr aushalten, dann gehen sie dorthin. Auch wenn sie in abartigen Verhältnissen leben, lieben die meisten ihre Eltern. Und- ich gebs ehrlich zu- ich möchte nicht meine halbe Klasse adoptieren und ich maße mir auch nicht an, die bessere Mutti zu sein ;- )